Facebook, Twitter, Blogs und Instagram. Alle sind sie voller Fotos. Egal ob Selfies, Handybilder oder professionelle Aufnahmen - fast jeder postet irgendwo seine Neuigkeiten in Bildform. Beliebt ist das auch in der Pole-Community. Jeder will zeigen, welchen neuen Trick er gemeistert hat, welche zum Standardrepertoire gehören oder wo es noch Verbesserungsbedarf gibt. Doch es ist nicht immer leicht aus den ästhetischen Figuren auch ein schönes Bild zu zaubern. Bei einem Pole-Fotoshooting gibt es einiges zu beachten.
Wir haben die wichtigsten Punkte zusammengetragen, die es zu beachten gilt. Nadine Rebel schreibt aus ihrer Sicht als Model und Sandra Reichel als Fotografin:
Sandra: "Es gibt nur eine Regel in der Fotografie: Entwickle niemals einen Film in Hühnchensuppe." sagte Freeman Patterson. Und da es im digitalen Zeitalter keine Filme mehr zu entwickeln gibt und sich alles wie von Zauberhand auf der Speicherkarte sammelt, gibt es nun gar keine Regeln mehr.
Nadine: Keine Angst! Hier wird kein pädagogisch-mahnender Zeigefinger erhoben werden, der die Schnappschüsse während des privaten Trainings oder in Kursen oder Workshops „verbieten“ soll. Vielmehr machen wir uns Gedanken darüber, was einen guten Pole-Fotografen/eine gute Pole-Fotografin ausmacht.
Keine Schönrederei
Nadine: Zunächst mal muss klar sein, dass wir alle unsere Besonderheiten haben! Und ich will hier bewusst nicht von „Schönheitsfehlern“ reden. Und wenn wir uns mit den Oberschenkeln fest an die Stangen pressen, dann haben wir alle Dellen! Das hat nichts mit Cellulite zu tun, das ist den Gesetzen der Physik und Biologie geschuldet. Und obwohl das ganz natürlich ist, will das keiner sehen. Nicht wir und auch nicht unbedingt ein Betrachter.
Sandra: Als Fotograf hat man oft seine eigene Vorstellung von einem guten Foto. Das liegt einerseits daran, dass man das Model kaum kennt und somit die Persönlichkeit nur zum Teil wahrnimmt. Hinzu kommt noch, dass die Selbstwahrnehmung mit der Fremdwirkung auch oft nicht übereinstimmt. Als Fotograf kreiert man also seine eigene Vorstellung eines perfekten Bildes. Geprägt von der Fashion Fotografie wird dann gerne auch digital ein wenig gezaubert.
Echt oder gephotoshopt?
Nadine: Kunstvolle Bilder werden bearbeitet. Das ist ganz normal! Das ist auch die Grundvoraussetzung dafür, dass die oben genannten Dellen verschwinden. Das Maß ist wichtig. Es gibt Personen, die würde man in Natura nicht wiedererkennen, wenn man sie nur von Fotos kennt: Samtweiche Haut, rank und schlank, nicht der Hauch eines Bauchansatzes und endlos lange Beine. In Natura sieht man dann, dass da mal locker 15 kg wegretuschiert und die Beine um 15cm gestreckt wurden. Das ist schade und ich finde es peinlich.
Sandra: Kaputt gephotoshopt Bilder sieht man immer wieder. Weichzeichner, Haut ohne jegliche Struktur oder sonstige Skurilitäten. Das liegt zum einem am Geschmack des Bearbeiters und/oder Betrachters oder daran, dass die Bildbearbeitung nicht richtig beherrscht wird, das Bild aber den Schein eines Modefotos wahren soll. "Ich würde mein ganzes Leben retuschieren." (Dusty Springfield). Die andere Seite muss man im Model selbst suchen. Unzufriedenheit und fehlendes Selbstbewusstsein kann schon dazu führen, dass man hier und da und dort und überall kleine bis mittelschwere Veränderungen durchführen lässt, die dann für den objektiven Betrachter eine neue Person kreieren, aus subjektiver Sicht jedoch das eigene Idealbild oder sogar die vermeintliche Realität zeigt.
Man kann nicht weggucken
Nadine: Manche Figuren sind aber auch wirklich schwer einzufangen. Irgendwie scheint es da keine richtige Perspektive zu geben. Der eine Blickwinkel richtet den Blick auf die „Totale“ (so nenne ich immer den ungeschönten Direktblick zischen die Beine), der andere Blickwinkel wirkt wie ein Unfall: Man kann nicht weggucken, aber „ästhetisch“ ist was anders. So ähnlich ist das auch mit einigen Contortion-Figuren! Die Leistung ist einfach nur hammerhart, aber irgendwie fühlt man sich manchmal eher an den Film „Der Exorzist“ erinnert.
Sandra: Pole Fotografie stellt sich selbst als schwierig heraus, wenn man selbst auch tanzt. Hat man hingegen keine Vorstellung von den Figuren, nimmt man sozusagen, was kommt. Durch Zufall gibt es sicherlich einige schöne Schüsse, die anderen kann man in die Tonne hauen. Im letzteren Fall hilft nur die Kommunikation mit dem Model. Ist sie selbst mit dem Ergebnis unzufrieden, kann man variieren, etwas verändern. Das braucht Zeit und Geduld. Auch wenn man eine Vorstellung davon hat, wie die Figur aussehen kann und soll, bedarf es genügend Zeit, um das auch perfekt einzufangen - hier ist wieder die Kommunikation mit dem Model wichtig.
Immer schön lächeln?
Nadine: Dann sollte alles noch recht „leicht“ aussehen, aber unsere Gesichter sprechen manchmal Bände. Von einem Dauerlächeln muss ja keine Rede sein, aber es sieht einfach nicht schön aus, wenn man sich die Unterlippe zerbeißt oder die Zunge wahlweise rechts oder links hinausgestreckt wird.
Sandra: Als Fotograf hat man nicht immer Supermodels vor sich, die ihre Mimik perfekt beherrschen. Aber selbst da sind Anweisungen nötig. Und woher soll gute Laune kommen, wenn sie niemand verbreitet. Manchmal kann man sich als Fotograf aber anstellen wie ein Alleinunterhalter ohne das es etwas nutzt, bei manchen Figuren werden die Fähigkeiten des Models einfach überstiegen.
Weniger ist mehr
Nadine: Die schwierigste Pose ist sowieso häufig KEIN Garant für ein tolles Bild. Oftmals ist weniger mehr! Überlegt Euch also auch im Vorfeld, was ihr gerne haben möchtet und wie ihr rüberkommen wollt, so erleichtert ihr auch den guten Fotografen die Arbeit.
Sandra: Die Shootingvorbereitung ist ein wichtiger Aspekt, der gerne zugunsten eines günstigen Shootings auf Seiten des Models weggelassen wird. Dazu gehört nämlich auch die Besprechung der eigenen Ideen und Vorstellungen im Vorfeld oder spätestens vor dem Shooting mit dem Fotografen oder der Fotografin.
Komische Vögel
Nadine: Und weil das alles so schwer ist und man dennoch in schöner und ansprechender Weise gerne gute Bilder von sich haben möchte, befinden sich fast alle Poletänzer und Poletänzerinnen früher oder später auf der Suche nach einem guten Fotografen oder einer guten Fotografin. Willige „Fotografen“ (meist dann doch männlich – sorry Jungs für’s Klischee!) finden sich auch schnell. Zu schön – so scheint es – die Vorstellung einen ganzen Haufen halbnackte Mädchen in ansprechenden Posen an einem hochaufragenden Phallussymbol fotografieren zu können. Doch das merkt man erst, wenn man sich die Fotos ansieht. Obwohl man selbst der Meinung war aus mehr Körperteilen als A und T zu bestehen, zeigen die Bilder nur „die Totale“, den Allerwertesten oder den Ausschnitt.
Sandra: Viele, die eine teure Kamera und dazu jede Menge Zubehör erworben haben, versuchen sich in professionellen Aufnahmen. Doch nur weil man die beste Technik hat, hat das leider nicht automatisch auch ein Qualitätszeichen. Ein guter Fotograf ist nicht, wer den Auslöser findet, sondern wer die Technik auch beherrscht. Viele Kunden sehen nicht mal einen großen Unterschied oder aber der Preis ist einfach unschlagbar. Professionelle Fotos kosten! Und zwar Zeit und Geld. Ein Fotoshooting ist nicht "mal eben auf den Auslöser drücken und auf den USB Stick ziehen". Es braucht Vorbereitung, je nach Aufwand ein Kennlern- und Vorgespräch, während des Shootings ausreichend Zeit und auch für die Nachbearbeitung (es braucht umso mehr Zeit das Bild nicht gephotoshopt aussehen zu lassen, als irgendwelche Filter darüber zu hauen, die das Bild entfremden).
Nadine: Solltet ihr also für euch oder auch euer Studio einen Fotografen suchen, so lasst euch auf alle Fälle Referenzbilder zeigen bzw. macht ein paar Tricks und seht euch das Zwischenergebnis an. Solltet ihr mit dem Rohmaterial überhaupt nicht zufrieden sein, verabschiedet die Person sofort! Lasst euch nicht mit dem Satz „das hole ich alles in der Bearbeitung raus!“ abspeisen (gilt im Übrigen auch für Videos!).
Nadine Rebel & Sandra Reichel